Wer selber am Mikrofon steht, der weiß, dass es bei Gesangsaufnahmen zu besonderen Herausforderungen kommen kann. Und als Sängerin beschäftige ich mich natürlich auch viel mit der Stimme. Als Produzent/in ist es jedoch ebenfalls gut, wenn man sich auf einige Dinge einstellen und somit in entsprechenden Situationen gut reagieren kann. In professionellen Aufnahmestudios hat man da gewöhnlich bereits jahrelange Erfahrung gesammelt. Es gibt jedoch auch Produzenten, die noch nicht so viel Routine haben oder bisher die folgenden Fakten ignoriert haben. Dabei kann ja heutzutage beinah jeder Dank Homerecording zum Produzenten „heranreifen“, Erfahrungen sammeln und sogar mit verhältnismäßig günstigem Equipment ziemlich gute Aufnahmen machen. Entscheidend ist hier das bestmögliche Ausgangsmaterial. In diesem Fall die Stimme. Nur was kann man da beeinflussen, wenn man nicht selber singt? Worauf kann ein Produzent achten?
Grundlagen & Vorbereitung
Zum einen ist es hilfreich, wenn die Person am Mikro über Gesangstechniken und Atmung Bescheid weiß und sich gut vorbereitet hat. Das heißt, er oder sie weiß, was sie singen soll und kennt Text und Melodie. (Das ist bei manchen Studiojobs leider nicht immer der Fall.) Schwierige Stellen im Song sollten separat geübt und „eingeschliffen“ sein. Bei der Aufnahme finde ich es immer besser, dass besonders hohe Passagen zum Schluss aufgenommen werden. Denn wenn die Stimme gleich anfangs so stark beansprucht wird, dann könnten die ruhigeren, tieferen Parts übers Ziel hinausgehen. Doch da hat jeder Sänger vielleicht andere Vorlieben. Die sollte man vorher absprechen. Außerdem kann ein Vocalcoach/Gesangslehrer bei Aufnahmen sehr hilfreich sein. Denn diese Person hört eher, wenn die Stimme nicht sitzt, und kann gezielter auf Technik, Gefühl und Gesangsperformance achten und ggf. Tipps geben. Das schafft zusätzliche Sicherheit für den/die Sänger/in.
Unnötiges Sprechen zwischen den Gesangstakes vermeiden.
Beim Aufnehmen wiederholt man einen bestimmten Teil im Song ja normalerweise so oft, bis man damit zufrieden ist. Wenn es sich um eine Stelle handelt, die von der Tonlage dann auch noch sehr hoch oder schwer zu singen ist, dann sollte der/die Sänger/in nicht zwischendurch reden oder lange erklären müssen. Muss man einen Take unterbrechen, sollte die singende Person möglichst nur per Gestik kommunizieren und die Stimme schonen. Wurde in hoher Tonlage gesungen und anschließend in der deutlich tieferen Sprechstimme geredet, dann muss sich die Stimme erst wieder in die Höhe zurückfinden. Professionell ausgebildete Sänger/in haben damit sicher weniger Probleme. Doch nicht jede Person am Mikrofon hat die entsprechende Gesangsausbildung. Am Ende leidet nicht nur die Stimme, sondern auch die Gesangsqualität bei der Aufnahme.
Unterbrechungen sollten nicht zu lang sein
Falls nun doch mal unterbrochen werden muss und keine freie Sicht zwischen Produzent/in und Sänger/in besteht, sollte das Gespräch auf das Nötigste beschränkt und kurz gehalten werden. Muss die Person am Mikrofon eine halbe Stunde warten, weil zum Beispiel irgendwelche technischen Störungen oder andere Probleme auftreten, dann wirkt sich das mitunter ebenfalls negativ auf die folgende Gesangseinlage aus. Grund dafür ist die nachlassende Bereitschaft und Energie im Körper, die durch den vielleicht ermüdenden Wartemodus beim Sänger /der Sängerin verloren geht. Nach längerer Wartepause sollte sich die Person am Mikrofon erst wieder einstimmen und einsingen. Vergleichen kann man das mit einem Balletttänzer, der sich erst dehnen und aufwärmen muss, bevor es losgeht. Werden die Muskeln kalt, können sie schneller verletzt werden. (Allerdings habe ich keine Ahnung von Ballett…) Die Stimme kann man als Sänger/in, sofern die Wartepause nicht zu lang wird, auch mit leichten Stimmübungen wie z. Bsp. Lippenflatterübungen oder entspanntem Summen warmhalten.
Einschränkungen der Stimme bei Menstruation?
Äh ja, richtig gelesen. Und nein, es geht nicht um die „Zickigkeit“. Frauen können an den akuten Tagen ihrer Menstruation besonders hohe Töne unter Umständen leider nicht so singen, wie an anderen Tagen. Aus dem Grund werden beispielsweise auch Opernsängerinnen in einigen Theatern an den besonders „schweren“ Menstruationstagen freigestellt. Im Pop singen wir zwar nicht unbedingt in diesen extremen Tonlagen, jedoch verändert sich die Stimme trotzdem spürbar. Die Veränderung der Stimmlippen bzw. der Schleimhaut beeinflusst die Stimme und schränkt den Stimmumfang in der Höhe ein. Das Singen fühlt sich „unbequem“ an. Über die Hintergründe habe ich im Beitrag „Schwierige Voraussetzungen beim Singen“ bereits geschrieben. Der Termin im Studio sollte also möglichst nicht in diesem Zeitraum stattfinden, darauf könnte man als Produzent im Vorgespräch hinweisen.
Wenn die Töne nicht getroffen werden…
…kann das verschiedene Hintergründe haben. Gehen wir mal davon aus, dass die Person am Mikro eigentlich singen kann. Dann kann die ungewohnte Aufnahmesituation besonders bei der ersten Erfahrung im Tonstudio schon mal zu Aufgeregtheit, Unbehagen und Verklemmung führen. All diese Gefühle und die eigene Unsicherheit verhindern eine gute Gesangsperformance. Die hängt nicht zuletzt auch vom Feingefühl der anwesenden Personen bzw. des Produzenten ab. Hier ist besonders wichtig, positiv miteinander umzugehen. Als Produzent hat man ja ohnehin auch eine psychologische Aufgabe. Finde motivierende, einfühlsame, aber ehrliche Worte, werde nicht hysterisch, wenn ein Ton mal nicht sitzt und hab Geduld, auch wenn es schwerfällt. Persönliche Angriffe per Durchsage und dumme Sprüche verbessern keineswegs die Gesangsleistung, im Gegenteil. Gutes Singen ist nicht nur gute Gesangstechnik, sondern größtenteils auch Kopfsache. Deswegen sollte sich die Person am Mikrofon wirklich so wohl wie möglich beim Singen fühlen.
Schlechtes Monitoring vermeiden.
Es kann auch sein, dass die Lautstärkeverhältnisse zwischen Stimme, Klick und Instrumental auf dem Kopfhörermix des/der Sängers/Sängerin nicht richtig eingestellt sind. Das sollte vorab in einem Check oder zur Not auch mal zwischendurch getestet werden. Auch wenn Harmonieinstrumente im Instrumental fehlen oder kaum zu hören sind, fehlt eine Orientierung beim Singen. Hat die Person am Mikro jedoch immer noch Probleme bei der Intonation, so kann es auch helfen, wenn sie nur ein Ohr an den Kopfhörer hält und mit dem anderen Ohr den normalen Klang der Stimme über den Raum ganz natürlich wahrnehmen kann. Als Produzent weiß man natürlich Bescheid, was den Soundcheck vorher betrifft. Doch ein kleiner Zusatztipp an die Person am Mikrofon kann gegebenenfalls helfen, wenn da jemand steht, der noch ganz neu damit ist.
Energie beobachten!
Wer als Produzent merkt, dass der/die Sänger/in in sich zusammenfällt oder energielos und müde (oder sogar krank/niedergeschlagen) erscheint, sollte die Person zum einen auf diese Beobachtung aufmerksam machen und ggf. fragen, ob die Aufnahme wirklich sofort stattfinden soll. Es kann auch helfen, dass ein paar Gesangs-, Atem- und Körperübungen vorher gemacht werden. Auch etwas frische Luft oder der Genuss von Traubenzucker helfen manchmal. Im Zweifelsfall sollten die Aufnahmen nicht unnötig in die Länge gezogen werden. Denn hat der Körper nicht genug Energie zum Singen, dann kann das der Stimme schaden und die Aufnahmen werden dann auch nicht wirklich überzeugend. Die Zeit können sich beide Parteien also auch sparen und wenn möglich lieber einen neuen Termin vereinbaren.
Fazit:
Natürlich ist man als Produzent nicht die Nanny der Person am Mikro. Doch ein wenig Fürsorge und Achtsamkeit können hilfreich sein, wenn das Ziel gute Gesangsaufnahmen sind. Der/die Sänger/in sollte ausgeschlafen zum Singen ins Studio kommen und nicht schon gehetzt dort ankommen. Der Kopf sollte frei sein, damit er/sie sich auf eine gute Gesangsleistung konzentrieren kann. Als Produzent kann man solche Tipps bereits in einem Vorgespräch klären oder sogar ein paar Gesangsstunden empfehlen, bevor es dann ans Eingemachte geht. Hast du vielleicht auch noch Hinweise und Tipps für eine gute Zusammenarbeit im Tonstudio? Schreib gern deine Idee in die Kommentare. Vielen Dank, dass du auf musifiziert.de vorbei geschaut hast. Bis bald.