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Nachgefragt bei Claudius Lepetit

Ein Musiker der Klassik ist Claudius Lepetit, auch Claude genannt. Er spielt Cello an der Anhaltischen Philharmonie Dessau und macht gern Musik mit Menschen aus nah und fern, wie beispielsweise im VORORT-Haus (Dessau). Im Interview teilt er seine Ansichten zur Musik und verrät, welche Disziplin er dafür selbst an den Tag legt. Jedoch zieht es ihn auch in die Ferne – ab Sommer 2019 geht er nach China, wo er als Solocellist im Suzhou Symphony Orchestra engagiert wird.

Live kann man den virtuosen Cellisten noch mal am 18.05.2019 um 15:30 Uhr in der Georgenkirche in Dessau erleben, zusammen mit Thomas Benke am Klavier sowie Sangmin Park an der Violine. Zu hören gibt es Kammermusik von Mendelssohn und Schumann. Für Claude erfüllt Musik folgenden Zweck:

Musik macht Spaß und verbindet Menschen.“

10 + 1 Fragen an Claudius Lepetit

1.) Seit wann machst du Musik und wie hast du begonnen?

Claudius Lepetit: „Musik mache ich schon ziemlich lange. Ich habe Cello mit 7 angefangen und hab aber Flöte schon, wie man das so macht, im Kindergarten mit vielleicht 3 oder 4 gelernt. Singen war immer ein Riesenthema bei uns. Ich habe immer viel gesungen – müssen und später wollen, durch meinen Vater. Und da war es immer so: wir waren 4 Leute, ich habe den Sopran gesungen, meine Mutter Alt, mein Bruder Tenor und mein Vater Bass. Das hat mit 5 – 6 Jahren angefangen, und als ich dann 12 war, konnte ich natürlich nicht mehr den Sopran singen.

Wie ich begonnen habe? Mein Vater hat einfach irgendwann gefragt: Willst du auch Cello lernen? – Mein Vater war Solocellist in Dessau. Und da hab ich gesagt: Ja, warum nicht. Auch zum Fußball hatte ich immer so die Einstellung: Warum nicht? Ich war jetzt nicht total hin und weg, aber ich war auch überhaupt nicht dagegen. Und ich hab mich immer gefreut, dass ich das machen kann.

Ich habe dann studiert. – Wenn man es so sieht, studiere ich eigentlich immer noch jeden Tag irgendwas Neues. Ein Studium ist wichtig. Ja, unbedingt! Vor allem ist auch wichtig, dass man einen Abschluss hat. Ich glaube, wenn man Student ist, weiß man gar nicht, wie viel das später mal Wert ist. Deswegen bin ich auch froh, dass ich das alles abgeschlossen habe und ich hatte auch Zeit dafür.“

2.) Wie oft übst du?

Claudius Lepetit: „Das ist eine sehr gefährliche Frage. (lacht) Ich sage mal, das ist wahrscheinlich wirklich keine Lüge, von 7 bis ungefähr 32 Jahren hab ich jeden Tag mindestens eine halbe bis drei viertel Stunde geübt. Später dann natürlich mehr im Studium, Zwei, drei, vier Stunden. Und seit ein paar Jahren gönne ich mir das mal, dass ich auch mal ein paar Tage nicht übe.

Ich habe wirklich Jahrzehnte lang jeden Tag geübt. Und ich weiß noch, wenn ich mal eins zwei Tage nicht geübt habe, hatte ich irgendwie ein schlechtes Gewissen und das war auch ein komisches Gefühl. Insofern hab ich ziemlich viel geübt, vor allem regelmäßig. Ich habe jetzt nicht 8 Stunden geübt, das konnte ich nicht. Aber ich habe jeden Tag geübt und ich hab auch in den Ferien in Deutschland, im Ferienhaus in Brandenburg, jeden Tag geübt, was meine Eltern etwas irritiert hat.“

3.) Lernst du Stücke auswendig? Wenn ja, wie gehst du dabei vor?

Claudius Lepetit: „Ich spiele sehr oft Bach-Suiten und die spiele ich in der Regel auch auswendig. Das kommt immer darauf an, wie viel Vorbereitungszeit ich dafür habe. Aber ich habe eigentlich alle Suiten auch auswendig gespielt. Besonders die 6., die Große. Da freue ich mich auch, dass ich die auswendig spielen kann. Ja, wie lerne ich es auswendig? – Ich würde sagen, es einfach wiederholen, wiederholen, wiederholen! Man darf gar nicht so viel nachdenken.

Und das Schlimme ist, wenn man dann im Konzert ist, darf man eigentlich gar nicht mehr nachdenken, weil – zumindest ich habe die Erfahrung gemacht, wenn ich dann nachdenke: Welchen Ton spiele ich eigentlich? – dann komme ich meistens raus. Vielleicht einfach eine Idee für das Stück haben, was empfindet man dabei, was ist es für ein Charakter? Das reicht bei mir. Aber ich würde jetzt nicht sagen, dass ich noch hunderttausend neue Stücke auswendig lernen möchte. – Ich bin froh, dass ich mit Noten spielen darf, sehr froh!“

4.) Was machst du hauptberuflich? Lebst Du von der Musik? Wenn ja, seit wann?

Claudius Lepetit: „Also ich hab mit 24 meine erste Stelle bekommen in der Deutschen Oper in Berlin und dann hatte ich eigentlich immer irgendwie, im Gewandhaus oder in Frankfurt und seit ein paar Jahren in Dessau, meinen Job. In sofern ging es mir da nicht schlecht. Ja, also mit 24 habe ich meinen ersten Vertrag gehabt, wenn man so will, in der Oper. Das war zwar nur ein Zeitvertrag, aber immerhin. Das ist als Student schon toll, dass man dann nicht bei Pizza Hut sein Geld verdienen muss, so gut das alles ist. Aber ich hab da natürlich sehr viel gelernt und davon profitiert man sein ganzes Leben.“

5.) Was war dein bisher schönster Auftritt?

Claudius Lepetit: „Das ist für mich unvergessen! 2004, Konzert in Ramallah, also in Palästina. Warum toll? Weil da ja keine Musik stattfindet, weil da das Land total abgeschottet ist. Die haben gar nichts mehr. Und wir kamen da eben als internationales Jugendorchester hin. Ich war sogar Solist und das Schöne war, dass ich im ersten Teil erst mal ein Solokonzert spielen konnte, was immer irgendwie was Besonderes ist.

Und im zweiten Teil durfte ich die Beethoven Sinfonie vom Publikum aus hören und dann fingen die Leute neben mir an zu tanzen im Konzert, weil wir orientalische Musik gespielt haben. Das werde ich nicht vergessen, die Begeisterung der Leute. Nach dem Konzert sind wir quasi, wie Popstars oder absolute Musikgötter da von den Jugendlichen umarmt wurden. Also ich weiß nicht, so was habe ich noch nie erlebt und da würde ich mir ein Teil dessen auch mal in Deutschland wünschen, von so einer Begeisterung.

Das hat nichts mit Qualität der Musiker zu tun, dass das Publikum so aus dem Häuschen ist, was wahrscheinlich nur in der Not passiert, denn man darf nicht vergessen, dass die Araber da wirklich nichts haben. Und dann ist solche Musik wie Nahrung für die Seele. Das war das beste Konzert, so was habe ich nie wieder erlebt und werde ich vielleicht auch nicht so schnell wieder erleben, weil man nach Israel ja nicht so ohne Weiteres reinkommt. Gerade als Musiker kann man nicht einfach in Palästina ein Konzert spielen. Das war ein Privileg und auf jeden Fall das beste Konzert meines Lebens.“

6.) Um welche Aufgaben kümmerst du dich außerdem?

Claudius Lepetit: „Naja ich kümmere mich eigentlich mehr und mehr um Musik, im weitesten Sinne auch um Vermittlung von begabten Leuten. Entweder darum, gemeinsame Konzerte zu machen oder Leute zu empfehlen, Leuten z. B. Instrumente zu verleihen. Ich helfe gern anderen, wenn ich da ein Talent und Potenzial sehe. Das geht über die Klassik hinaus. Ich habe auch mehrere Studenten in Dessau, denen ich viel geholfen haben und denen ich viel verdanke. Und mit denen spiele ich ja auch nach wie vor. Und da sehe ich großes Potenzial, auch in Zukunft, auch in China, was ich da vielleicht anregen kann.

Also ich würde sagen, ich bin nebenbei auch so ein musikalischer Berater und ein Strippenzieher was Kooperationen oder Projekte angeht, also ich hab da immer offene Ohren für neue Projekte. Da geht’s auch ganz spannend weiter, auch in Dessau. Ich sag mal: VORORT-Haus Dessau, da ist viel geschehen, da passiert viel mit Musik und mit Kulturen. Das ist das, was mich extrem begeistert und deswegen habe ich auch immer gesagt, ich möchte viele Sprachen können, weil ich die Kommunikation brauche. Natürlich, als Musiker hat man die Musik, aber das ist ja auch nicht alles.“

7.) Wie gehst du mit Lampenfieber um?

Claudius Lepetit: „Also ich gehe mit Lampenfieber eigentlich entspannt um, weil ich weiß, dass das normal ist. Ich habe beides erlebt, ich habe natürlich Konzerte gehabt, wo ich sehr nervös war. Gerade so ein Rundfunk Livemitschnitt mit 16 ist was, was man schon anders wahrnimmt. Wobei das immer Stress ist. Also Livemitschnitte im Rundfunk und im Fernsehen sind nicht meine größte Leidenschaft. Ich glaube, das ist so, wie mit vielen Sachen, je öfter man auftritt, desto weniger Angst hat man. Ich weiß, dass es normal ist, nervös zu sein vorher. Eigentlich bin ich meistens so positiv angespannt vorher, ich freue mich irgendwie drauf.

Und es kommt natürlich immer darauf an, was man spielt und wo man spielt. Sagen wir mal, je höher karätig die Veranstaltung ist und je schwieriger die Stücke werden, desto aufgeregter ist man. Also mir wird immer nachgesagt, ich wirke eigentlich nicht nervös. Das ist gut, wenn das so aussieht. Ich bin manchmal auch wirklich nicht nervös, das ist natürlich glücklich, dass ich das manchmal sagen darf. Aber ich würde nicht sagen, dass ich gar nicht nervös bin. Ich weiß auch nicht, was in fünf Jahren ist, vielleicht bin ich da mal sehr nervös.

Viele Faktoren spielen eine Rolle. Erst mal, wie hat man sich vorbereitet, mit wem spielt man, wo spielt man, welches Programm hat man, auch ob man sich mit seinen Kollegen wohlfühlt, ob man vorher Stress hatte in den Proben. Das sind alles Faktoren, die durchaus relevant sind. Und ich sag mal, mit schöner Musik und mit Freunden zu spielen, da kann für mich eigentlich auch nichts passieren. Ich wüsste nicht, was da schwierig sein sein soll, mit Freunden Musik zu machen, wenn man sich wohlfühlt. Dafür habe ich auch wirklich relativ viel Erfahrung, um das einschätzen zu können, dass es mir darum geht, mit wem spiel ich, was spiel ich. Und wenn ich mich da wohlfühle, dann ist es eigentlich egal, ob man vor einem oder vor Tausend Leuten spielt. Aber ich bin jetzt nicht regelmäßig vor Tausend Leuten.

Weil ich auch mal Phasen hatte, wo ich nervös war und das auch mal kennengelernt hab. Es hilft, Rat an alle jungen Leute, die so was vielleicht auch kennen: aufnehmen, aufnehmen, aufnehmen. Beim Üben sich selber aufnehmen, auch Sprechen. Sich mit Video aufnehmen, sich dann ärgern, sich das anzuschauen, weil man denkt, „Oh Gott, wie ist das denn?“, einfach sich akzeptieren, wie man ist. Und vielleicht kann man versuchen, anhand von Aufnahmen oder Videos daraus zu lernen und einfach seinen eigenen Stil zu entwickeln. Und wenn das jemand schräg findet, ist egal, solange der Künstler das o. k. findet.

Also sozusagen keine Angst haben, Nervosität aktiv bekämpfen durch eigene Aufnahmen und durch das „Ja“ zu der Aufregung: „Ja, ich nehme das an, ich geh damit um und ich werde daran wachsen.“ – Jemand, der sagt, er war nie nervös, der hat vielleicht Glück gehabt oder er hat irgendwas verpasst. Alle großen Leute haben Nervosität. Keiner kann das runter spielen, jeder muss anders damit umgehen. Aber man kann das tatsächlich lernen.

Wer wenig aufgeregt ist, kann sich glücklich schätzen. Es gibt zum Beispiel, letzte Sache, bestimmt viele Cellisten, die tausend Mal besser spielen, als ich, und die können es aber im Konzert nicht abrufen, weil sie einfach so nervös sind. Ich kenne das auch vom Probenspiel, man kann seine Leistung nicht abrufen. Das ist dann tatsächlich ein bisschen ungerecht, weil im Konzert will man ja nicht wissen, was er „eigentlich“ könnte, man will wissen, wie es in so einem Moment ist. Und dann ist es mir egal, ob der zu Hause zehntausend Mal besser spielt. – Gibt halt so Rampensäue oder nicht.“

8.) In wie vielen Musikprojekten hast du bisher mitgewirkt?

Claudius Lepetit: „Ach, in vielen! Was ganz Besonderes war vor 20 Jahren in Berlin vor der Berliner Mauer mit Mstislaw Rostropowitsch, vielleicht der größte Cellist aller Zeiten. Das war mit Bands. Er hat ein Cello-Orchester von ungefähr hundert Cellisten dirigiert. Große Namen waren dabei. Und mit wem haben wir gespielt? – Mit den Scorpions! So! (grinst) Und das haut mich immer noch um, dass das so geil war. „Wind of change“ und so weiter – es war so toll! Da war ich 17 und ich habe vor hunderttausend Leuten da im Orchester gespielt. Das gibt es immer noch im Internet zu sehen. Also das war was ganz Besonderes.

Außerdem: Orchester, Solo, mit chinesischen Instrumenten, mit Leuten aus dem Iran spiele ich in Dessau. Mit Popbands bin ich auch schon aufgetreten – wobei, das relativ bescheiden, aber doch wohl – nicht nur mit den Scorpions, aber das waren die Berühmtesten. Ja, das ist sehr viel gefächert.“

9.) Wie gehen Freunde & Familie mit deinem Musikerdasein um?

Claudius Lepetit: „Ich hatte das Glück, ich komme aus einer großen Musikerfamilie. Da hat man viel Verständnis bekommen, man hat auch viel Kritik bekommen. – Und man kriegt viel gut gemeinte Kritik, da bin ich sehr dankbar. Ich hatte nie ehrgeizige Eltern, im Gegenteil, die haben mich eigentlich eher gebremst in meinem Streben und Machen und bei Ideen. Also ich bin da sehr dankbar. Ich weiß, wie das manchmal auch endet, wenn man da vielleicht die Erwartungen enttäuscht. Meine Eltern hatten nie welche, wollen immer das Wort Karriere gar nicht hören, weil sie das irgendwie gar nicht so wichtig finden. Finde ich eigentlich auch gut. Ich mach mein Ding, die unterstützen mich.

Wir haben riesige Hausmusikkreise in Köthen mit meinem Onkel, wo wir alle musizieren, musiziert haben und gesungen haben. Das ist natürlich ein Riesenschatz, den man da vielleicht einfach mitkriegt, weil man aus der Familie kommt. Das sehe ich durchweg positiv und die Kritik sehe ich auch positiv. Das hat mich sehr stark gemacht und da bin ich für andere Kritik immer offen und ich freue mich, über jeden, der mir was Vernünftiges weitergeben möchte. Also, warum nicht!“

10.) Welchen Tipp hast du für junge Musiker und Bands?

Claudius Lepetit: „Das würde ich mal allgemein sagen, nicht nur an die Klassikmusiker, sondern auch an die jungen Bandleute, ich kenne jetzt ja auch ein paar so ein bisschen. Was ich eben toll finde, ist, wenn Leute, egal was sie machen, ne Message haben und sich von niemandem da die Butter vom Brot nehmen lassen. Und vor allem möchte ich jungen Leuten raten, engagiert euch in der Gesellschaft. Ich will jetzt keine politischen Statements machen, aber es ist doch sehr wohl recht und billig, seine Musik nach außen zu tragen und damit Gutes zu tun. Wie auch immer man gut definiert. Aber Musik hat absolut gesellschaftlichen Sprengstoff im Sinne von, es kann Leute zusammenbringen, es kann Hürden überbrücken zwischen Jung und Alt, schwarz und weiss und vielleicht auch zwischen den intellektuellen und ungebildeten Menschen. Warum denn nicht? Durch gemeinsames Singen und so weiter.

Da würde ich einfach sagen, die jungen Leute sollen sich nicht durch Kritik vom Weg bringen lassen, im Gegenteil, sondern ihren Weg finden. Sie sollten eine Message haben sowie authentisch sein und dann ist alles toll. Und gerade in Deutschland haben wir jetzt so viele Musiker aus der ganzen Welt. Was ich so von Musikern aus dem Nahen Osten, aus Afrika oder aus China lernen durfte, das kann so auch für junge Leute weitergehen. Keine Schubladen! Die Zeiten sind vorbei. Weltmusik oder so was!“

Zusatz: Was wolltest du schon immer mal von anderen Musikern wissen?

Claudius Lepetit: „Ihre Musik! Es gibt natürlich ein paar Musiker, die ich gern mal wieder treffen möchte, also richtig tolle Musiker. Ehrlich gesagt, so viel will ich gar nicht von ihnen wissen. Weil, wenn ein Musiker was zu sagen hat, da muss ich nicht noch nachfragen: „Warum bist du so toll?“, oder so. Ich bin da nicht neugierig, ich lass mich gern faszinieren und ich freue mich eigentlich, wenn sich andere Musiker darüber freuen und vielleicht auch mit mir irgendwas zusammen machen wollen. Aber deswegen gehe ich nicht in das Konzert.“

Vielen Dank für das Interview an Claudius Lepetit. Interessierte finden ihn online unter folgendem Link.

Weblink:

http://claudiuslepetit.de/

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